Über Christelle Dabos

Liebe Leserin, lieber Leser,

als ich zwölf Jahre alt war, kam ich in die Mittelschule. Ich war gut in Französisch, passabel in Englisch, und der Lehrplan sah eine weitere lebende Sprache vor. Ich wählte Deutsch, weil meine Großmutter es in ihrer Jugend gelernt hatte und die Art, wie sie mir davon erzählte, mir Lust machte, es auch zu versuchen. Das war meine erste katastrophale Note.
 
Weder Französisch noch Englisch hatten mich auf diese Sprache vorbereitet, deren Grammatikregeln meine geistigen Fähigkeiten zu übersteigen schienen. Mit etwas Abstand betrachtet, würde ich sagen, dass ich vor allem faul war. Ich war nur gut in den Fächern, die keinerlei Anstrengung von mir verlangten. Um Deutsch zu lernen, hätte ich mich richtig reinknien, dranbleiben und doppelt so viel arbeiten müssen, doch das kam der Teenagerin, die ich damals war, nicht in den Sinn. Sie verbrachte lieber die restlichen Deutschstunden damit, Pferde zu zeichnen (ausschließlich im Profil), und wechselte im nächsten Jahr die Sprache. Heute würde ich gerne durch einen Spiegel reisen und diesem jungen Mädchen ins Gesicht sehen können, um ihr zu sagen:

»Hör mal, wenn du groß bist, wirst du Bücher schreiben. Diese Bücher werden ins Deutsche übersetzt werden, und irgendwo in Deutschland wird eine Buchhändlerin oder ein Buchhändler eins davon in Händen halten, es lesen und sich seinerseits bemühen, es anderen zu vermitteln. Und dann wirst du dich schön blöd fühlen, dass du nicht mal versucht hast, diese Sprache zu verstehen, die von nun an Teil deiner Geschichte sein wird.«

Leider habe ich diese Gabe nicht. Ich kann Ihnen nur die beiden deutschen Sätze schreiben, die meine Großmutter mir beigebracht hat und die mir in Erinnerung geblieben sind. Ich finde, sie bringen es gut auf den Punkt: Ich weiß nichts und Danke schön.

Christelle Dabos wurde 1980 an der Côte d’Azur geboren. Nach ihrem Studium zog sie nach Belgien und arbeitete als Bibliothekarin. Als sie 2007 an Krebs erkrankte, begann sie zu schreiben. Zunächst veröffentlichte sie auszüge aus Die Spiegelreisende im Internet. Nachdem sie den Jugendbuchwettbewerb von Gallimard Jeunesse gewann, wurde der erste Band der Serie Die Verlobten des Winters publiziert und entwickelte sich rasch zu einem Bestseller. Die ersten drei Bände sind auch in Deutschland Bestseller geworden.

Christelle Dabos wurde 1980 an der Côte d’Azur geboren. Nach ihrem Studium zog sie nach Belgien und arbeitete als Bibliothekarin. Als...

Die Übersetzerin

Amelie Thoma studierte Romanistik und Kulturwissenschaften in Berlin und arbeitete als Lektorin, ehe sie die Übersetzerlaufbahn einschlug. Sie übertrug neben den Büchern von Christelle Dabos u. a. Marc Levy, Joël Dicker und Leïla Slimani ins Deutsche. In unserem Videoformat Suhrkamp espresso spricht sie über ihre Übersetzungsarbeit an den Spiegelreisenden-Bänden: