Ihr neuer Roman spielt in dem Dorf Unnenmoor, ein kleiner Ort in einer norddeutschen Moorlandschaft. Vor welchen Herausforderungen steht die Dorfgemeinschaft dort?
Das Dorf liegt abgeschieden in einer unwegsamen Moorgegend. Die Menschen hier leben fast noch wie im 19. Jahrhundert. Dazu kommen die Auswirkungen des Krieges: Viele Männer sind tot oder verschollen, Entwurzelte wissen nicht, wohin und es herrscht eine große Verunsicherung darüber, wie alles weitergehen soll. Wanderpropheten verkünden den Weltuntergang. Auf der anderen Seite kommt der Fortschritt nun auch nach Unnenmoor, indem das Moor trockengelegt werden soll. Die Dorfgemeinschaft ist hin und hergerissen zwischen altem Aberglauben und der Sehnsucht nach einer lichteren Zukunft.
![Moorsee Poggenpohl](https://media.suhrkamp.de/mediadelivery/rendition/c0d2e91d6efa4c548e01e6bf94e75378/-S0x0)
Moorsee Poggenpohl
Poggenpohlsmoor im Winter
Als wir an Wunder glaubten basiert auf wahren Begebenheiten und thematisiert den Glauben an Hexenverfolgung sowie an Wunderheiler. Wie sind Sie auf dieses Thema aufmerksam geworden?
Es gab einen Artikel in der Zeit zu diesem Thema. Ich war erstaunt, dass Aber- und Hexenglaube in der Nachkriegszeit so weit verbreitet waren und habe dazu recherchiert. Es gibt tatsächlich viele Zeitungs- und Radioberichte über diese Vorgänge und das Thema hat sofort bei mir verfangen, auch weil es Parallelen zum aktuellen Verschwörungsglauben gibt.
Sie beschreiben die Hoffnungslosigkeit und Orientierungslosigkeit der Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner in der Nachkriegszeit sehr authentisch. Wie sind Sie bei der Recherche zu Ihrem Buch vorgegangen?
Ich hatte verschiedene Quellen: Einerseits waren das Zeitungen und Publikationen aus der Zeit, dazu kamen Recherchen in den Archiven von Heimat- und Moormuseen. Was den Hexen- und Aberglauben betrifft: Es gibt Radioaufnahmen zu dem Thema. Eine spannende Quelle stammte vom NDR, der über einen Prozess gegen einen Hexenbanner aus dem Dithmarschen live berichtet hat. Ich durfte in die Aufnahmen hineinhören. Überdies habe ich Interviews mit Zeitzeug:innen geführt.
![Inloopswiesen](https://media.suhrkamp.de/mediadelivery/rendition/16007d8437474f54b035617dd529e938/-S0x0)
Inloopswiesen
![Trockengelegtes Moor im Nebel](https://media.suhrkamp.de/mediadelivery/rendition/d71122b182f349308efd2bda35294345/-S0x0)
Trockengelegtes Moor im Nebel
Auf dem Cover des Romans ist ein schwarzer Hahn zu sehen. Wie steht der Hahn in Zusammenhang mit der Handlung?
Der Hahn spielt in der Magie eine wichtige Rolle. Er steht für den Teufel, für Schläue und Verschlagenheit. Der Hahn auf dem Cover ist allerdings zart gezeichnet, sein Blick ist weise. Insofern bricht er das Böse, das ihm geschrieben wird.
Bereits in Ihren letzten Romanen Luzies Erbe und Eine andere Zeit haben Sie ländliche Orte im Norden Deutschlands als Schauplätze der Handlungen gewählt, wie nun auch in Als wir an Wunder glaubten. Was fasziniert Sie an diesen Orten?
Ich kenne das Land, ich bin auf dem Dorf aufgewachsen und lebe immer noch ländlich. Ich weiß, wie das Leben hier funktioniert. Es folgt anderen Spielregeln und ist geprägt von Einschränkungen. Es gibt wenig bis keine Infrastruktur. Landmenschen sind mehr auf sich selbst zurückgeworfen, das ist es, was mich interessiert und fasziniert.
Alle Fotos: © Helga Bürster