© Matthias Holländer
»In Frau Rucks Küche hing der Druck eines Ölgemäldes von Matthias Holländer, ein abgemaltes Schulfoto aus dem Jahr achtzehnhundertneunundachtzig. Exakt hundert Jahre bevor unser Schulfoto aufgenommen wurde. Nach hinten, zu den letzten Reihen hin, wurde das Bild dunkler, duster. Als gäbe es unendlich viele Reihen dieser Menschenkinder, immer weiter in die Dunkelheit hinein, in Richtung Jenseits gezählt. ... Im Grunde genommen gab es für alle Kinder, die ich kannte, ein Äquivalent auf diesem Bild, ein Double. Dadurch entwickelte das Bild einen bösen Sog. Quecksilber, das Quecksilber anzieht wie ein Magnet. Kinder, verbannt in eine zeitlose Vergangenheit. Der links unten, der Junge, wollte ich sein. Der Kittel über dem Bauch aufgebogen, der Kragen schief, ein Strumpf wirft Fältchen unterm Knie.«
![Der vordere Teich mit Insel](https://media.suhrkamp.de/mediadelivery/rendition/55760672a8f5404b9063aedecb5e3233/-S0x0)
»Auf der Teichinsel spielten Luca und ich Piraten. Da man aber durch das besagte Moor waten musste, um zur Insel zu gelangen, kostete das Spiel Überwindung, denn das Moor war zumindest mir nie sehr geheuer, vor allem, seitdem Johan mir erzählt hatte, dass dort Wasserratten wohnten, die nicht selten kleine Kinder wie uns anfallen würden.«
![Die hintere Hälfte des Teiches](https://media.suhrkamp.de/mediadelivery/rendition/3ff8483ba9d847a9b753e5522c6ea625/-S0x0)
»Der Teich war so groß, dass man ein New Yorker Parkhaus oder das Gebäude des Flughafens Tegel darin hätte versenken können, staunte ein Gast aus Berlin einmal.«
© Silke Briel
»Schwimmende hatten ihn [den Teich] sich allerdings zu teilen mit Forellen, Schleien, angeblich mit einem Hecht, den ich nie zu Gesicht bekam, und mit jeder Menge Rotfedern, die ich zu meinem Leidwesen als passionierte Anglerin immer wieder zu Gesicht bekam und ständig am Haken hatte.«
© Valerie Kommer
»Das Gipfelhaus des Dobrač liegt auf zweitausendeinhundertdreiundvierzig Metern über der Adria. Und ein paar Gipfelmeter weiter steht die höchste Kapelle Europas. An der Kirchenmauer zu den sogenannten
Bösen Gräben hin befinden sich Holzbänke, diese waren unser Ziel.«
![Dorfkirche](https://media.suhrkamp.de/mediadelivery/rendition/bec8b00ceaf2415faacb6e690123171a/-S0x0)
»Die Dorfkirche von St. Martin Lafnit steht gleich neben meiner Volksschule und ist Mittelpunkt des Sechzig-Seelen-Dorfes. Auf dem Friedhof liegen mehr Menschen, als das Dorf Einwohner hat.«
![Kinderbild](https://media.suhrkamp.de/mediadelivery/rendition/2534a3e1e9544e1688e27647d7dd79c0/-S0x0)
»Meine erste Erinnerung überhaupt ist eine Erinnerung an den
Focknhocker. ... Er bückte sich zu meinen geflochtenen Zöpfen und meinem Dirndlkleid herunter und holte, mich überraschend, eine Barbiepuppe hinter seinem Rücken hervor.«
![Der Münsterländer vom jungen »Focknhocker«](https://media.suhrkamp.de/mediadelivery/rendition/5acc6220f5774843b182fc3d06764b91/-S0x0)
»Es war einmal ein pfiffiger, kerniger Junge, mit Grashalm im Mund, der mit Vorliebe zum Mond schaute und dabei Listiges ausheckte, oder zumindest traute man ihm das zu. ... Tag für Tag und Jahr für Jahr trieb er im Morgengrauen das Vieh den Berg hinauf und, wenn die Sonne unterging, wieder zurück zum Hof, seinen treuen Begleiter Joggi, einen Münsterländer, weiß, mit braunen Flecken wie eine Hinterwälder-Kuh, immer an seiner Seite.«
Alle Fotos, sofern nicht anders angegeben: © Julia Jost