Zitronen von Valerie Fritsch: eine Fotostrecke

Beitrag zu <em>Zitronen</em> von Valerie Fritsch: eine Fotostrecke
Nach Winters Garten und Herzklappen von Johnson & Johnson ist soeben mit Zitronen der dritte Roman von Valerie Fritsch erschienen. Wir haben eine Auswahl an Fotografien der Autorin mit passenden Zitaten aus ihrem neuen Roman zusammengestellt.

Reisen & Schauen
 

Zwei Liegestühle mit Sonnenschirm © Valerie Fritsch

»Er dachte ans Meer, an den Schwalbenflug, an das Wäscheleinentheater, in dem, angetrieben vom Wind, die Gewänder durch die Straße liefen, winkten, sich streckten, in sich zusammenfielen, ohne einen Menschen innendrin. Wenn er wegdämmerte, zwischen Schlaf und Wachheit pendelte, sah er die Zitronen vor sich, die wie Planeten in den Bäumen hingen. Die blaugestreiften Schirme der Strandpromenade. Muschelschalen, die im Wasser dunkel waren und glänzend und getrocknet hell und stumpf. Melonen, groß wie Hunde, so dass man sie auf den Schultern trug.«

Ein Steg in das Meer mit Leiter © Valerie Fritsch

»Sie verbrachten faule Tage im bröckelnden Glamour des altmodischen Hauses, sonnten sich auf den Felsen, schliefen nebeneinander auf dem groben Beton ein, den man als Liegesteg zwischen die Steine gegossen hatte, und der tiefe Abdrücke in der Haut hinterließ. Jeder Blick und jedes Aushalten des Blickes machte August und Otto einander vertraut. Die fremde Schutzlosigkeit schien das Kind zu beschützen.«

Ein Zitronenbaum © Valerie Fritsch

»Der schlimmste Augenblick jedes Sommers ist sein Ende.«

Ein Hund sitzt auf einem Sofa, umgeben von grünen Pflanzen © Valerie Fritsch

»Er sah wieder vor sich, wie die alte Nachbarin den ganzen Tag saß, im Hof, vor dem Ofen, auf der Bank, an eine Wand gelehnt, die Beine lang ausgestreckt, die Hände wie Brot im Schoß. Wie ihr Mann vor dem Haus auf einem weißen Plastikstuhl thronte, dessen poröse Lehne sich um seinen Buckel bog. Wie sich nicht nur die Menschen, aber auch der Hund nie zu bewegen schien, der wie eine in die Ferne sehende Statue am Tor hockte, selbst wenn die beiden Rüden der Drachs nach ihm bellten.«

Lesen & Schreiben
 

Frau mit Buch beim Frisör © Valerie Fritsch

»Jeder Mensch kann einen anderen töten, es gibt kein Naturgesetz, das einen davon abhält, wenn man für ein paar Sekunden selbst nicht willens dazu ist. Aber es gibt einen Moment, in dem das Falsche zu tun, sich richtiger anfühlt, als es zu lassen.«

Limoncello auf dem Schreibtisch © Valerie Fritsch

»Nun, da er erwachsen war, genoss er die Macht der Lügen, denn wer lügt, entscheidet für den anderen, bestimmt für die Länge eines Satzes, wie dessen Welt aussieht. Jedem erzählte er ein anderes Leben, eines, von dem er wie in Kindertagen glaubte, dass es die passende Antwort für den jeweils Fragenden sei. Darum kam er mal von und mal von dort, aus Orten, deren Namen ihm gefielen, war im Süden bei den Zitronen aufgewachsen oder in großen schlaflosen Städten, und obwohl er keine fremde Sprache sprach und ohne Schulabschluss war, glaubten die Zuhörenden ihm oft ohne ein Zögern.«

Lektüren zum Thema Gewalt © Valerie Fritsch

»Wie ihn der Vater immer kleinmachte und daran groß wurde. Wie er die Kälte zelebrierte, nicht ablassen konnte vom vermeintlichen Fehler. Wie die Festlichkeit der Strafe, das Feierliche daran ihn ganz erfüllte. Wie er kein Herz hatte, aber eine Hand.«

Schießen & Sterben
 

Eine Frau am Schießstand © Valerie Fritsch

»Als Kinder standen sie sich mit Pfeil und Bogen gegenüber, bald mit dem ersten Luftdruckgewehr und später mit einer Pistole, die die Dunkelheit eines Dachbodens freigegeben hatte. Es gab unterschiedliche Arten der Aufregung und der Ehrfurcht, wenn sie einander in die Augen sahen. Während die einen mehr die Schmach fürchteten, den Apfel zu verfehlen, zitterten die anderen davor, den Freund darunter zu treffen, und nur die ins Visier Genommenen hielten stets den Atem an.«

Äpfel auf zwei Zielscheiben  © Valerie Fritsch

»Sie rappelten sich wieder auf und hielten still unter den schweren, brüchigen Zweigen, um einander abwechselnd einen Kronprinz Rudolf oder einen Geflammten Kardinal vom Kopf zu schießen, auf den sie sich zum Schutz einen alten Motorradhelm gesetzt hatten.«

Gräber auf dem Friedhof  © Valerie Fritsch

»August mochte den Ort und seine Geschichten, strich neugierig umher, pflückte Zitronen, die seine Hosentaschen ausbeulten, und sah hinab aufs Meer, während Lilly Drach eine unruhige Friedhofsgängerin war, vertraut mit der Kranken-, aber ungeübt in der Totenwelt, verwirrt von all den fremden Namen und Schicksalen, die sich schon erfüllt hatten.«

Ein Krematorium auf einem Friedhof

»Die Mehrzahl der Toten hatte ihr Bett in riesigen Schränken aus Stein, schlief dort in Schubladen, über- und nebeneinander angeordnet und sorgfältig beschriftet, damit man nicht durcheinanderkam. Es war ein Setzkasten für die Ewigkeit.
Und er erzählte, wie er früher mit den anderen Kindern in den leeren Grabkammern der steinernen Kästen gesessen war, wie sie in den obersten gekrümmt gehockt waren unter der niedrigen Decke wie in Nestern, in den Ecken Vorräte von Süßigkeiten anlegten und Amarettini und Zuckerschlangen aßen zwischen den Toten. Wie sie einander Gespenstergeschichten zuflüsterten.«



Alle Fotos: © Valerie Fritsch

Ein Roman über eine außergewöhnliche Mutter-Sohn-Beziehung

Zitronen
eBook 20,99 €

»Nichts ist so bedrohlich wie Zärtlichkeit dort, wo sie nicht hingehört.«

Sprachgewaltig, in packenden Bildern und Episoden erzählt Valerie Fritsch in ihrem neuen Roman von der Ungeheuerlichkeit einer Liebe, die hilflos und schwach macht, die den anderen in mentaler und körperlicher Abhängigkeit hält. Ein Entkommen ist nicht vorgesehen, es sei denn um den Preis, selbst schuldig zu werden.

»In Valerie Fritschs Prosa ist etwas von der kindlichen Verletzlichkeit und dem Erstaunen lebendig, die man sich irgendwann abtrainiert, um überleben zu können.«
Juliane Liebert, DIE ZEIT
»Valerie Fritsch schreibt, als würde sie zeichnen – und zwar meisterhaft: Sie braucht nur wenige Linien, ein Satz, zwei Sätze, dann steht das Bild, und es öffnet sich ein ganzer Kosmos.«
Katharina Kluin, stern
»Valerie Fritsch vermag es, über diesen Schmerz zu schreiben, ohne uns zu Voyeuren zu machen, vielmehr zu Staunenden, die plötzlich ein Stück mehr über die Welt begreifen.«
Wiebke Porombka, ZEIT ONLINE
»In Valerie Fritschs Prosa ist etwas von der kindlichen Verletzlichkeit und dem Erstaunen lebendig, die man sich irgendwann abtrainiert, um überleben zu können.«
Juliane Liebert, DIE ZEIT
»Valerie Fritsch schreibt, als würde sie zeichnen – und zwar meisterhaft: Sie braucht nur wenige Linien, ein Satz, zwei Sätze, dann steht das Bild, und es öffnet sich ein ganzer Kosmos.«
Katharina Kluin, stern
»Valerie Fritsch vermag es, über diesen Schmerz zu schreiben, ohne uns zu Voyeuren zu machen, vielmehr zu Staunenden, die plötzlich ein Stück mehr über die Welt begreifen.«
Wiebke Porombka, ZEIT ONLINE

Valerie Fritsch im Suhrkamp Verlag

Zitronen

24,00 €

Herzklappen von Johnson & Johnson

11,00 €

Winters Garten

10,00 €
24,00 €
11,00 €
10,00 €

Valerie Fritsch, geboren 1989, arbeitet als freie Autorin und bereist die Welt. Beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2015 wurde sie mit dem Kelag-Preis und dem Publikumspreis ausgezeichnet. 2020 erhielt sie den Brüder-Grimm-Preis für Literatur. Sie lebt in Graz und Wien.
Valerie Fritsch, geboren 1989, arbeitet als freie Autorin und bereist die Welt. Beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2015 wurde sie mit dem Kelag-Preis...