Die Stiftung Joseph Breitbach und die Akademie der Wissenschaften und der Literatur / Mainz verleihen Nora Bossong den Joseph-Breitbach-Preis 2020 für ihr literarisches Gesamtwerk.
In Nora Bossongs Werk lässt sich besichtigen, wie es zu unserem Zeitalter kam. Die Protagonisten ihrer Romane sind Männer und Frauen, in deren Hände die Welt gelegt ist: Ein Diplomat in Webers Protokoll (2009), ein Textilfabrikant und seine Tochter in Gesellschaft mit beschränkter Haftung (2012), ein Historiker in 36,9º (2015), eine Mitarbeiterin der UN in Schutzzone (2019). Aus genauer Metierkenntnis entwickelt die Autorin Psychogramme von Menschen, die als Individuen unsere Anteilnahme gewinnen, als prototypische Leistungsträger den Schrecken vermehren: Ihre Ohnmacht schafft Fakten. In die Zukunft retten sie nur ihre Selbstbilder und privaten Obsessionen. Solche Gemengelagen finden sich auch in ihren drei Gedichtbänden, verbinden sich dort mit Zärtlichkeit für Tier und Pflanze und für die Beharrungskräfte von Provinz und Religion.
Die Jury würdigt mit ihr »eine Poetin, die ihre eminenten Möglichkeiten zur Versprachlichung von Welt als Verpflichtung nimmt, sich den großen Themen zu stellen. Durch die Irrungen und Wirrungen eines eurozentrischen Jahrhunderts, das an den Nullpunkt seiner Weisheit gekommen ist, lässt sie uns schauen auf die Schwäche, die es zusammenhielt. Ihr Werk, in dem sich analytische Brillanz und sinnliche Evokationskraft gegenseitig befeuern, moralisiert nicht, nimmt am grassierenden Rechthaben nicht teil und erscheint doch in jeder Zeile politisch. Wiewohl illusionslos, ist es nie ohne Liebe, und beinahe hinterrücks voll Humor.«
Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert. Die Verleihung ist für den 25. September 2020 in Koblenz vorgesehen.